Mit einer Heldentat beginnt unser letzter Tag in Namibia: Nachdem bei allen so gegen 5.30/5:45 Uhr die Handywecker klingeln, wagt sich ein Mitglied unserer Reisegruppe, was den anderen Weicheiern viel zu kalt erscheint: Duschen unter freiem Himmel bei gefühlten 5 Grad Außentemperatur. Es ist - bei aller Bescheidenheit - der Autor dieses Blogs, der seinen Körper der Morgenfrische Namibias auf 1800 Höhenmetern preisgibt, um von Kopf bis Fuß frisch gewaschen später die Grenze nach Südafrika zu überschreiten - oder besser gesagt: zu überfliegen. Aber dazu später.
Ob nun per frischer Dusche oder nur per Katzenwäsche gereinigt: Um 6:30 Uhr verlassen wir wie geplant das Urbancamp in Richtung Armenviertel Katutura. Der verbliebene Jeep der Oßwalds, den Maik abfällig als Staubschleuder bezeichnet, ist randvoll gepackt mit Koffern, Rucksäcken und noch diversen Essens- und Getränkerationen der Urlauber nebst deren eigenen Körpern. Auch wenn es sich bei dem Isuzu um einen geräumigen Wagen handelt, sind Folgeschäden von Quetschungen weder beim Gepäck noch den Passagieren heute auszuschließen. Ilegalerweise müssen nämlich auf der Rückbank heute Morgen vier Personen sitzen, um alle Mann (und Frau) in den letzten Stunden durch Windhoek befördern zu können. Wir verlassen das Camp, in deren Zelthäusern wir alle nur mäßig gut geschlafen haben, obwohl die beheizbaren Matratzen wirklich schön kuschelig und mollig waren. Ob es nun der beengte Platz in den 140-cm-Doppelbetten der vier Männer waren, die kläffenden Köter in der Nachbarschaft oder die nahe Hauptverkehrsstraße: Der Schlaf war nur ein Mäßiger.
Egal: Wir sind wach, pünktlich und gut gelaunt und folgen dem Navi ins Township Katutura. Dort haben wir für 7-10 Uhr eine geführte Fahrradtour gebucht, um die andere Seite Windhoeks und letztlich Afrikas kennen zu lernen. Wir sind auch nach 6km Fahrt durch das aufwachende und pulsierende Hauptstadtleben halbwegs pünktlich in der Evelinstreet. Leider finden wir aber weder die Hausnummer 105 noch das auffallend grüne Haus dazu, das wir auf dem Internetausdruck sehen. Es gelingt uns auch nicht, als wir zwei Passanten und zwei Polizisten fragen. Um 7:15 Uhr rufen wir dann mal bei Anna an, der Chefin der kleinen Agentur Katu-Tours, die diese Fahrrad-Sightseeing-Touren anbietet. Und siehe da: Sie hat unseren Termin auch noch vergessen, wartet also gar nicht auf uns in dem Moment. Was tun? Wir verabreden, dass wir weiter ihr Office suchen und sie überlegt, was wir tun können.

Nach einer halben Stunde sind wir keinen Millimeter weiter. Wir haben den Ausgangspunkt der Tour nicht gefunden (vielleicht ein Haus, das so aussieht, aber die Nummer 104 statt 105 trägt) und Anna hat nicht mehr angerufen. Da wir nach hinten heraus durch unseren Flug nach Kapstadt um 12:55 Uhr arg limitiert sind, entschließen wir uns, das Thema Fahrradtour aufzugeben und in Ruhe in die Stadt frühstücken zu fahren.
Als wir inmitten des Berufsverkehrs die Hälfte der Strecke zurück in die City bewältigt haben, meldet sich Anna und will die Tour doch unbedingt mit uns machen. "We dont cancel the Tour", wiederholt sie penetrant im Gespräch mit Anne, die ihr vergeblich versucht zu erklären, dass es für uns jetzt wirklich zu spät ist. Anne wird sie erst durch rohe Gewalt los: Sie legt irgendwann einfach auf.
Poldi lotst mit dem Motorrad-Navi der Oßwalds seinen Vater geschickt durch den quierligen Morgenverkehr. Aus dem Reiseführer haben wir uns ein Café ausgesucht, das von Menschen mit Behinderungen geführt wird. Wir kommen an im "Craft Center", einem großen Innen- und Hinterhofkomplex mit vielen alternativen Kunsthandwerkerläden und Sozial- und Kunsteinrichtungen. Widerum verbotswidrig fahren wir in den Hof hinein, denn wir wollen unseren Jeep - vollbeladen mit all unserem Hab und Gut - nicht den Klein- oder Großkriminellen dieser Stadt preisgeben, von denen hier ja angeblich an jeder Straßenecke Hunderte herumlungern (wenn man manch übertriebener Warnung Glauben schenkt). Übertriebenen Vorurteilen schenkten wir auch bei der Fahrt nach, in und von Katutura wieder weg ausreichend Raum in unserem Auto - und hatten unseren Spaß dabei.
In dem Kleinkunstzentrum finden wir in der hintersten Ecke auch einen wunderbaren Gratis-Parkplatz. Weniger erfolgreich sind wir hingegen bei der Suche nach dem Café. In einem benachbarten Lokal mit angeschlossenem Musikinstrumenten-Geschäft erfahren wir vom schweizerisch-namibischen Sohn des Inhabers in bestem Deutsch, dass der Laden schon vor drei Jahren zugemacht hat - aber wegen der Reiseführertipps immer noch pro Woche mindestens zwei Gruppen bei ihm danach fragen.
Wie gut, dass er gerade sein Café öffnet und wir schon gegen 8:40 Uhr und damit 20 Minuten vor offiziellem Start einen Kaffee bekommen, der mit leckerem Duft gerade durch die Maschine läuft. Sein Kollege ist gerade dabei, die Tagesration Baquettes - gefüllt mit Schinken, Käse, Salami oder frischem Mett - zuzubereiten. Wir sorgen gleich für Rekordumsätze, in dem wir ihm 13 Stück - und damit fast seinen gesamten Tagesvorrat - abkaufen. Sie sind ebenso lecker wie die Atmosphäre in dem Künstlerhof entspannt und cool und sein Wlan leistungsstark ist. Was will man mehr? Der Ärger über die ausgefallene Fahrradtour verfliegt mit jedem Kilobyte, das wir über WhatsApp, Facebook oder sonst irgendeine Software in die digitale Welt versenden.
Hatten wir uns angesichts der Morgenkälte für die Fahrradtour noch mit langen Umterhosen, Wintermützen und - ja - teils sogar Handschuhen präpariert, genießen wir jetzt die mit der Morgensonne aufsteigende Wärme zwischen den Läden, Cafés und Galerien.
Wir amüsieren uns über ein ebenfalls kunstvoll aufgestelltes Baugerüst an einem gegenüber liegenden Hochhaus. Deutsche Sicherheitskontrolleure hätten die Baustelle sicher längst zugemacht, aber es scheint zu halten und seinen Zweck zu erfüllen.
Die meisten von uns decken sich bei den Kunsthandwerkern noch mit etwas Nippes für zu Hause ein, bevor wir uns um kurz nach 10 Uhr auf den Weg zum 40km entfernten International Airport machen. Um kurz vor 11 Uhr sind wir dort und geben unsere "Staubschleuder", die besser "Sandschleuder" heißen müsste, problemlos beim Hertz-Stand ab. Jetzt heißt es noch Gepäck sortieren und umpacken, um Flüßigkeiten zu trinken oder in den Koffern zu verpacken, Müll auszusortieren oder Gewichte gleichmäßig zu verteilen, damit keiner das 23-kg-Limit überschreitet. Was übrig ist, schenken wir dem freundlichen Herrn von der Autovermietung und einer Reinigungskraft. Maik und Anne wickeln ihre Gepäckstücke wieder zum Schutz im Dönerlook in Frischhaltefolie.
In dem kleinen Airport mit seinen drei, vier Schaltern, wollen wir schnell einchecken, was aber nur Dreien von Sechsen gelingt. Die Oßwalds stehen bestimmt eine Viertelstunde ganz vorne in der Reihe der wartenden Passagiere. Die Dame von Air Namibia tippt und tippt auf ihrem PC, schüttelt immer wieder mit dem Kopf und wendet sich fragend an einen Kollegen. Bei uns und den hinter uns wartenden Gästen wächst die Ungduld. Sieht so aus, als seien wir nicht registriert oder eingebucht in dem Flieger. Was wird das jetzt werden? Fliegen Anne, Maik und Alisa alleine nach Kapstadt? Kommen die Ossis erst morgen nach und müssen alleine noch eine Nacht in Windhoek verbringen? Alle möglichen Szenarien gehen den Oberhessen durch den Kopf.
Dann erscheinen wir plötzlich doch im Computer - "bad System", erklärt die Dame am Schalter als Grund für die Verzögerung. Es hätte sich wohl jedes Mal beim Eintippen unseres Namens aufgehängt. Gepäckgewicht passt auch und mit Bordkarten in der Hand gehen wir zum Gate. Von dem gibt es nur eines für alle Flüge hier am Windhoek-International-Airport.
Wir warten noch ein bisschen bis zum Boarding, das wieder aus gemütlichem Spazieren der Reisenden - jeder für sich - übers Flugfeld zur Maschine der Wahl besteht. Dirk erinnert sich an seine Brasilien-Rundreise in den Neunzigern, als er auf diese Weise mal in einen falschen Flieger eingestiegen war. Passiert uns diesmal nicht, zumal der Pilot vor dem Losrollen ausdrücklich nochmal fragt, ob auch jeder nach Kapstadt und nicht mit dem Nachbarflieger nach Johannesburg will.
Nach zwei angenehmen Flugstunden im nur ein Viertel gefüllten Airbus kommen wir um kurz vor 16 Uhr Ortszeit (plus eine Stunde) im sonnigen und mit 19 Grad angenehm temperierten Kapstadt an. Und dass, wo uns wirklich jeder in den letzten Tagen erzählt hat, wie regnerisch, kalt und windig es zu dieser Jahreszeit dort sei.
Wir übernehmen bei Europcar unseren niegelnagelneuen Hyundai-H1-Bus mit 48 Kilometern auf der Uhr umd steuern das Nobelviertel Camps Bay direkt zwischen Tafelberg und Atlantik an. Was uns dort erwartet, entspricht allen Versprechungen der Airbnb-Anzeige, wo wir gebucht haben. Ein luxuriöses Haus, riesige Glasfronten, edle Ausstattung und eine riesige Terrasse mit einem 180-Grad-Blick aufs Meer und die Bucht von Camps Bay.
Nach der Einweisung durch den freundlichen Hausmeister und eine später noch liebevolle Begrüßung durch die unten im Haus wohnende Besitzerin Michelle, genießen wir erstmal den Sonnenuntergang auf den chilligen Sofas auf der Terrasse.
Im Anschluss laufen wir zur Standpromenade, essen und trinken lecker im "Butcher" und sind gegen 23 Uhr wieder in unserer Traumvilla.
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